Partnerschaft - wie geht das nochmal?

Drei Dinge haben wir nie gelernt. Erstens, wie Partnerschaften "funktionieren" könnten. Zweitens, wie man Kinder "erzieht" und drittens wie das Leben überhaupt zu bewerkstelligen ist. Da gibt es bestimmte Gesetzmäßigkeiten. Da gilt es richtig zu kommunizieren. Da gibt es den Unterschied zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild. Wir unterliegen Projektionen. Da benehmen wir uns an den falschen Stellen manchmal wie Kinder oder wie Eltern und selten genug einfach wie Erwachsene. Und vieles mehr . . . .

Wie Partnerschaften nicht funktionieren - und wie doch?

Mit Kribbeln im Bauch fängt die Liebe an. So die landläufige Meinung. Wir wissen, das kribbeln hört nach einigen Wochen, spätestens nach einigen Monaten auf. Und dann? Und was ist überhaupt unter Liebe zu verstehen?

 

Aber zunächst zurück zu unserem Kribbeln im Bauch? Verwechseln wir da vielleicht etwas. Könnte

das nur ein Trick der Evolution sein? Wie sonst sollten wir auf die Idee kommen uns fortzupflanzen?

Und - bilden wir uns tatsächlich ein, weil wir ein paar Stunden oder Tage oder Wochen lang so ein

kribbeln im Bauch haben, wäre das das Signal für die ewig dauernde, lebenslange Liebe?

 

Naja, man könnte sagen, jeder irrt sich mal. Das war dann eben nicht der oder die Richtige. Auf zu

neuen Ufern. Schon geht es wieder los. Neuen Partner kennenlernen --> Kribbeln --> vermeintliche

ewigwährende Verliebung --> Alltag --> Entliebung. Das wiederholt sich, je nach Schwere des Falles fast beliebig oft.

 

Und wenn es dann zu einer Partnerschaft oder Ehe kommt und wenn diese dann in die Jahre

gekommen und etwas fade geworden ist, helfen wir eben nach. Zum Beispiel mit

Partnerschaftsberatung. Hier werden dann Übungen gemacht. Gefühle zeigen wird geübt (meistens

die Männer). Den Verstand mehr einsetzen (meistens die Frauen). Die verschiedenen Sprachen der Liebe werden trainiert. Es werden Vereinbarungen getroffen. "Immer Mittwochs nehmen wir Zeit

füreinander" Und dies und das. Wenn da kein Wunder (z. B. eine weitreichende Erkenntnis-

Entwicklung) passiert, ändert sich danach nicht viel. Zudem ist es anstrengend und macht wenig

Spaß. Die begleitenden Probleme, Kämpfe und Krämpfe während dieser Prozesse lassen wir mal

großzügiger weise beiseite.

 

Ich denke, der Hauptgrund weshalb Partnerschaften oft nicht oder eben nur auf dem kleinsten

gemeinsamen Nenner gelingen, liegt darin, weil wir oft selber noch keine reife,

selbstverantwortlichen und autarken Persönlichkeiten sind. Auch weil wir oft eigene Hobbys,

Freundschaften und vor allem eigene Räume zugunsten eines symbiotischen Zusammenseins

aufgegeben haben. Diesem symbiotischen Zusammensein werden wir früher oder später

überdrüssig. Insbesondere dann, wenn wir den Drang verspüren den eigenen inneren Bedürfnissen nachzugeben. Natürlich stehen oft auch die gegenseitigen Erwartungshaltungen im Wege, die gegenseitig zu erfüllen wir auf Dauer nicht Willens oder in der Lage sind.

 

Welches Rezept haben wir dann für die ewig dauernden Liebe? Die Frage ist, ob es sie in der Form wie wir uns diese vorstellen, überhaupt gibt. Liebe ist eine Haltung, ein Menschenbild. Liebe ist allumfänglich. Nicht auf einen Menschen reduziert. Gelingende Partnerschaft hat mehr mit

Zuneigung, Empathie, Einfühlungsvermögen, Sich Einlassen, Verantwortung übernehmen (für mein

Verhalten, für die Kinder, etc.) sich unterstützen, authentisch sein, zu tun. Und eines ist unabdinglich - zuallererst muss man sich selber mögen.

Weshalb gehen wir Partnerschaften ein?

Wir sollten uns zuerst fragen, aus welchem Grund streben wir eine Partnerschaft an? Hier vielleicht mal einige Anregungen:

In jungen Jahren dürfte der natürliche Wunsch, die Neugierde nach Austausch mit dem anderen Geschlecht, nach Geborgenheit, nach Zärtlichkeit, Erotik und Sexualität der hauptsächliche Grund sein. Eine Familie zu gründen und Kinder zu haben ist die logische natürliche Folge davon.

 

(Übrigens: Kinder zu bekommen ist für Frauen gefährlich.

 

Mindestens war das in früheren Zeiten so. Wurde ein Frau schwanger, so war sie in den Monaten vor der Geburt und viele Monate danach nur eingeschränkt handlungsfähig und somit schutzbedürftig. Frauen bevorzugten deshalb diejenigen Männer, von denen sie annahmen, dass sie ihnen den nötigen Schutz und ausreichende Versorgung gewährleisten konnten. Evolutionsbedingt ist das noch immer in den weiblichen Genen verankert. 

 

Gut zu wissen für Männer. Die Wahl fällt nicht auf Sie wegen ihrer besonderen körperlichen Attraktivität, weil sie so gut im Bett sind, wegen ihrem Humors oder sonstigen geistigen Eigenschaften. Frauen suchen - bewusst oder unbewusst einen Versorger. (Seltene) Ausnahmen bestätigen die Regel.  Noch etwas ist ganz anders bei Frauen. Um ein Kind (auf natürlichem Weg) zu zeugen ist zwar auch die sexuelle Vereinigung nötig. Ein Orgasmus ist bei der Frau dazu aber nicht zwingend notwendig. Anders ist das beim Mann. Ohne Orgasmus, verbunden mit einem Samenerguss wird keine weibliche Eizelle befruchtet. Möglicherweise erklärt diese völlig verschiedenartig ausgerichtete Disposition die eine oder andere abweichende Verhaltensweise von Mann und Frau. Etwas reduziert und vereinfacht ausgedrückt: Kinder zu zeugen ist für die Frau gefährlich, dem Mann bereitet es Vergnügen.)

 

 

Ein anderer Grund kann die Angst vor der Einsamkeit oder auch nur der Wunsch nach gemeinsamen Unternehmungen und Kommunikation sein. Weit verbreitet für den Wunsch nach Zweisamkeit scheint auch eine gewisse innere Leere zu sein. Wir bilden uns dann ein, wir diese innere Leere mit jemand anderen teilen entstehen Leidenschaften, Romantik und blühende Lebensfreude.

Etwas pragmatischer wird es dann, wenn wir fürs Alter vorsorgen. Synergien nutzen nennt man das. Zu zweit lebt es sich leichter, preiswerter und überhaupt, man muss ja auch an die Fürsorge im Krankheitsfall , etc. denken. 

Jetzt sind wir weit ab vom Kribbeln im Bauch angekommen.  Das ist mindestens ernüchternd. Oft
auch frustrierend. Warum ist das so? Weil wir einfach falsche Vorstellungen pflegen und zu viele
Erwartungen haben. Etwas hart formuliert: Je weniger Vorstellungen, denen der andere gerecht
werden sollte, desto weniger Frustration und Enttäuschung erleben wir in unserer Partnerschaft.

Ich will hier den Versuch unternehmen und auf wenigen Seiten darstellen, wie es doch funktionieren könnte. Zuerst müssen wir uns von einigen Vorstellungen verabschieden, auch wenn das schwerfällt:

Du gehörst mir

Mit dem Besitz ist das so eine Sache. Freunde (oder Menschen im Allgemeinen) besitzt man nicht. Bekundungen wie "Ich bin Dein" oder "Du bist mein Ein und Alles" oder "Ich kann ohne Dich nicht leben" werden in der Regel als großer Liebesbeweis gewertet. Bei näherem Hinsehen und insbesondere, wenn sie ernst gemeint sind,  erweisen sie sich meistens als  schwere Hypothek.

Den anderen umerziehen

"Natürlich muss man die Männer nehmen wie sie sind - man darf sie nur nicht so lassen". Dieser nicht ganz ernst gemeinte Spruch auf einer Postkarte sagt schon einiges zum Thema gegenseitiges
"umerziehen" aus. Selbstverständlich dürfen und werden wir uns im Laufe unseres Lebens und innerhalb einer Partnerschaft verändern. Die Frage ist nur wie das von Statten gehen könnte. Es gibt eine einfache Grundregel dafür: Wenn ich bei einem bestimmten Thema selber einen Veränderungswillen habe und einen Nutzen sehe, dann besteht eine Chance zur Veränderung. Wenn ich hingegen bei meinem Partner gerne eine Veränderung hätte, die Er (oder Sie) weder sieht, einsieht noch anstrebt, besteht wenig Sinn darin Energie dafür zu verschwenden. In diesem Zusammenhang hilft es natürlich sehr, wenn beide Partner über eine große Bandbreite ihrer Möglichkeiten verfügen und demgegenüber wenig einengende Sichten haben. Sehr offen zu sein, dem anderen zuzuhören und ihn zunächst einmal zu verstehen mit seinem Anliegen, mit seiner Sicht der Dinge  ist eine weitere Voraussetzung für Veränderungen. Dann ist der Weg nicht mehr weit um sich u.a. spielerisch und unverbindlich auf eine neue Verhaltensweise einzulassen.

Anweisungen geben -  geht gar nicht

"Ich will dass du immer dies und jenes so oder so erledigst". "Wenn du dich nicht so oder so verhälst, dann . . . .". "Wenn ich dann nach Hause komme erwarte ich, dass . . .  Auch wenn es weit verbreitet ist, ist es deshalb nicht richtiger oder gar zielführend. Lassen wir mal extreme Verhaltensmuster (wie z.B. vermüllte Wohnung, kein Bock auf Arbeiten, Kaufsucht, etc.) die pathologischer Natur sind, außen vor. Meine Vorstellungen, wie sich der andere zu verhalten hat, sagen in erster Linie etwas über meinen Tellerrand, bzw. über meine Toleranzschwelle aus.  Ob es sich um Essgewohnheiten oder um das Verständnis von Ordnung in der gemeinsamen Wohnung handelt oder was auch immer. Verkürzt ausgedrückt stecken dahinter immer meine dogmatische Botschaften wie: "Ich bin das so gewohnt", "Das habe ich immer schon so gemacht", "Ich brauche das so", "Das machen alle so" oder ähnliches. Klingt in der Regel nicht wirklich überzeugend für den anderen.

Gerade bei länger währenden Partnerschaften hat man sich oft unbewusst mit einem Trick arrangiert. Jeder ist Fachmann (Chef) auf einem bestimmten Gebiet. Dort, wo das klar ist (oder scheint) gibt der Chef dem anderen Anweisungen. So beim Kochen, beim Autofahren, beim Gestalten der Wohnung oder des Gartens, bei der Urlaubsplanung, beim Kleidungsstil, im Bett, in finanziellen Angelegenheiten. Dieses Verhalten (Ich Chef, Du Untertan) kann eine Lösung sein. Ob es eine gute ist, stelle ich in Frage. Dies nicht nur deshalb weil es zwei erwachsenen Menschen nicht gerecht wird, sondern insbesondere auch deshalb, weil die Verantwortlichkeiten meist nicht ausgeglichen verteilt sind. Meist hat bei diesem Modell einer "die Hosen an".

Wo diese Rangordnung nicht geklärt ist, gibt es Streit oder zumindest Diskussionen. Zwei Chefs
funktioniert halt meistens nicht.

Ratschläge geben

Ähnlich verhält es sich beim Thema "Ratschläge geben". Die Grenzen zu "Anweisungen" geben sind fließend. Auch hier muss der Empfänger auf "Empfang" i.S. von "Ich möchte einen Ratschlag" geschaltet haben. Hat er das nicht, kommen meine Ratschläge nicht an.

Seine Bedürftigkeit einfordern

Kein Mensch ist frei von Interessen, Wünsche, Erwartungen, Sehnsüchten und Bedürfnissen. Diese Attribute werden oft mit wahrer romantischer Liebe verwechselt. Im Zusammenhang mit Liebe und Partnerschaft haben jedoch  insbesondere Erwartungen, Sehnsüchte und Bedürfnisse weitreichende Konsequenzen. Erwartungen sind innere Vorstellungen die wir an andere richten und erwarten, dass diese erfüllt werden. Je mehr Erwartungen wir an andere haben, desto mehr laufen wir Gefahr, dass wir enttäuscht werden. Was Sehnsüchte betrifft: Eigene Sehnsüchte suchen nach Erfüllung. Oft können wir diese allerdings gar artikulieren, erwarten aber, dass der andere sie identifiziert und erfüllt.

Die stärkste emotionale Ausprägung haben Bedürfnisse. Wenn wir beispielsweise gerne ein bestimmtes Menü zum Abendessen hätten, ist das ein Wunsch, mit dem man in der Regel umgehen kann. Bin ich aber ohne Wasser alleine in der Wüste, so habe ich ein Bedürfnis nach Wasser.  Da wird die Selbststeuerung schwierig. 

Jeder von uns darf sich fragen: Möchte er einen Partner voller Wünsche, Erwartungen, Sehnsüchten und Bedürfnissen? Oder doch vielleicht lieber einen wunschlos Glücklichen? Einen lebendigen, voller Fantasie? Einen der mit sich selbst im Großen und Ganzen zufrieden ist?

Welche Erwartungen und Bedürfnisse habe ich an meinen Partner? Wie viele seiner Erwartungen und Bedürfnisse bin ich bereit zu erfüllen?

 

Ein schwieriges Terrain. Partnerschaft ist auch in diesem Zusammenhang etwas, was sich entwickeln muss. Deshalb ist ein offener und wohlwollender Austausch darüber ein wichtiges Instrument um verstanden zu werden und um zu verstehen. So kann eine Annäherung geschehen.

 

Sind die Schwerpunkte einer Partnerschaft zu sehr auf der Suche nach Geborgenheit, Sicherheit, Bedürfniserfüllung und dem Versuch die eigene Einsamkeit zu kompensieren, ausgerichtet, schwindet die Liebe.

Wie Partnerschaften doch funktionieren können

Ob wir ein Haus bauen, ein Musikstück spielen oder einem Menschen ärztlichen Beistand leisten. Im beruflichen Kontext sind wir angehalten nach den "Regeln der Kunst" zu handeln. Bei einem allumfassenden, emotionalen und substantiellen Thema wie das einer Partnerschaft (oder gar einer Liebesbeziehung) dürfen wir einfach nicht davon ausgehen, dass "es" der andere beherrscht, genau so wenig wie umgekehrt, wir selber.

Autonomie und Selbstbestimmung

Den eigenen Kosmos pflegen. So paradox es klingt. Eines der wichtigsten Elemente in einer Partnerschaft ist es, seine Autarkie zu wahren und gegebenenfalls noch auszubauen.

In einer Partnerschaft, insbesondere bei einer Familiengründung geben wir oft einen großen Teil unserer Selbstbestimmung, unserer Autarkie auf.  Die beruflichen und gesellschaftlichen Zwänge tun das ihre dazu. Irgendwann verspüren wir dann den Wunsch wieder zur alten Ordnung zurückzukehren. Zumindest durch eine Trennung oder Scheidung gelingt uns das dann in aller Regel. Damit  entscheiden wir uns aber zur Rosskur. Nach einer gewissen Zeit fehlt uns doch wieder etwas. Und damit geht der Teufelskreis wieder von vorne los.

 

Vielleicht ist die Form einer wie auch immer gearteten "ambulanten Partnerschaft" eine echte Alternative.  Stellen wir uns zwei Menschen vor, die eine Partnerschaft eingegangen sind: Die Leben in einem Haus, jeder hat seine Wohnbereich, sein Zimmer, seinen Schreibtisch, seine Musik, sein Bett, seine Freunde, seine Herkunftsfamilie, sein Auto, seinen Beruf.

Der Mensch ist auf Beziehungen angelegt, auf Wertschätzung, auf Resonanz und Gemeinschaft. Das heißt aber nicht, dass er deswegen sein eigenes Ich aufgeben und in engster Symbiose mit seinem  Partner leben muss. Ein Schlüssel zum Gelingen einer Partnerschaft liegt sicher darin, dass wir jederzeit frei entscheiden dürften, wie viel eigenes Bett, Auto, Freunde, Hobby wir pflegen und wie viel wir gemeinsam betreiben. Wirklich lieben kann nur ein unabhängiger Mensch!

Verantwortung für das eigene Wohlbefinden übernehmen

Positive Auswirkungen auf die Partnerschaft werden sich auch einstellen, wenn jeder nicht nur die Verantwortung für sein Handeln übernimmt, sondern auch für sein Wohlbefinden. "Mir geht es nicht gut, weil Du . . . " sind projektive Aussagen die von der eigenen Verantwortung ablenken. Natürlich können Partner sich gegenseitig wohltuend unterstützen. Wenn aber die Verantwortung für das eigenen Wohlbefinden auf den Partner (oder der Kollegin in der Arbeit) übertragen wird, ist das nicht nur wenig hilfreich. Es überfordert und verletzt auch den Betroffenen. 

Auf Dauer kommt man nicht umhin die eigenen Freudenquellen selber wieder zu erschließen.

Gelingende Kommunikation - gewaltfreie Kommunikation

Es ist längst bekannt, dass nicht nur das was gesagt wird, sondern wie und wann es gesagt wird von entscheidender Bedeutung ist. Es sprengt hier den Rahmen, aber es ist durchaus lohnend sich diesbezüglich Nachhilfeunterricht angedeihen zu lassen. Ansätze aus den Konzepten der "Gewaltfreien Kommunikation" oder beispielsweise der "Transaktionsanalyse" (Ich-Botschaften, Kind-Ich, Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich) sind sehr hilfreich, seine eigenen Kommunikationsmuster zu hinterfragen, bzw. zu verändern.

Konflikte und Streitigkeiten zeitnah bearbeiten

gibt es Reibungspunkte und Auseinandersetzungen zu bestimmten Themen sollten diese (vielleicht nach einer Nachdenkpause) bald besprochen und idealerweise gelöst werden. Oft ist es auch hilfreich, wenn man sich gegenseitig eigene Räume zugesteht und dann nach und nach wieder zusammen findet.

 

Umgang mit Projektionen

Nicht minder schwierig ist die Sache mit den Projektionen. Es beginnt schon bei der Auswahl eines Partners. Wir suchen ihn u.a. auf Grund eigener unbewusster Anteile von Eigenschaften und Bedürfnissen, die wir in uns haben, aber in der Regel nicht wahrnehmen. Später projizieren wir in uns wohnende Themen auf andere, auch auf unseren Partner. Eben weil Anteile dieser Themen (z.B. Umgang mit Aggression) in uns sind und bearbeitet werden wollen, erkennen wir diese leichter bei anderen als bei uns. Dorthin projiziert, können wir uns vermeintlich unbefangen  damit auseinandersetzen.

Zu wissen, dass wir eine Vielzahl solcher unbearbeiteter und nicht aufgelöster Themen in uns tragen ist schon die halbe Miete. Wenn wir uns diesen Themen mehr und mehr bewusst werden, ist das eine gute Voraussetzung diesen Mechanismus zu unterbrechen. Demütig und gelassen können wir dann beginnen vor der eigenen Haustüre zu kehren.

Umgang mit Wünschen und Bedürfnissen

Wie wir oben festgestellt haben, ist einerseits wahr, dass wir uns gerne einem Partner wünschen der möglichst wenig Wünsche, Forderungen oder Bedürfnisse an uns richtet (lassen wir einmal außer Acht, dass es Menschen gibt, die gerne die Bedürfnisse anderer erfüllen).  Andererseits ist auch Realität, dass wir Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse mitbringen und entwickeln. Wie erreiche ich nun, dass der andere diesen "Anregungen" nachkommen kann?

Leider gibt es dafür kein einfaches Rezept, jedoch eine Regel die weiterhelfen kann. Wünsche, Ideen und Anregungen sollen selbstverständlich geäußert werden. Wichtig dabei ist, dass ich bei mir bleibe. Dass ich dem anderen keine Anweisungen gebe. Siehe oben. Formulierungen könnten so lauten: "Ich fühle mich wohler, wenn . . . .". Oder: "Ich würde gerne . . . erleben." Die Regel ist die, dass ich bei jedem geäußerten Wunsch, den anderen zwischen drei alternativen Antworten wählen lasse, etwa so:

Erstens -    "Ja, das mache ich zukünftig (gerne)".
Zweitens - "Nein, dazu bin ich (noch) nicht bereit". Und
Drittens -   "Vielleicht, ich überlege mir das", bzw. "Das kann ich mir heute nicht vorstellen - lass uns das später wieder aufgreifen". 

(Wichtig ist bei einem "Nein" oder "Vielleicht" die Botschaft, dass man das Anliegen des Partners ernst nimmt und - dass man ihm eine mögliche Perspektive oder auch eine Alternative bietet.) Diesem Grundsatz liegt im wesentlichen die Tatsache zugrunde, dass wir i. d. Regel nicht bereit sind etwas zu verändern, was in uns selber nicht angelegt ist. Was ich selber nicht möchte, nicht kann oder wozu mir einfach die Vorstellungskraft fehlt, vermag ich auch nicht zu tun.

Und diese Einsicht, dieses "Ja, ich will das auch . . ." kann dauern. Monate, Jahre oder ein ganzes Leben. Das gilt es zu akzeptieren, auch wenn es schwer fällt. Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch für solche Fälle. Wir können ein Spiel, ein Experiment daraus machen nach dem Motto: Das ist zwar überhaupt nicht meine Welt, aber ich bin neugierig und lasse mich darauf ein. Erst einmal, dann vielleicht öfter. So können diese Wünsche und Ideen des anderen zu einer Bereicherung werden die einer Partnerschaft Würze, Spannendes und Lebendigkeit verleihen.

Wichtig dabei bleibt: Wir haben dieses anders Sein, diese Begrenzungen, diese Ängste des anderen zu respektieren. Genauso dürfen anders herum Wünsche und Bedürfnisse nicht tabuisiert und unter den Teppich gekehrt werden.   

Josef Hipper

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